verschiedenförmige Würfel
Kurzgeschichten,  Rollenspiel

Yara 46 – Trautes Heim, Glück allein

Ausserhalb der Great Foundry war die Luft wieder angenehmer, das Atmen fiel mir plötzlich wieder leichter.
«Welches war nochmal unser letzter Brief Tappser?»
«Wir haben nur noch den Fraternity Order.»
Arthur zeigte uns den schnellsten Weg. Das Gerichtsgebäude war der Hauptsitz der letzten Fraktion, bei der wir eine Einladung zum Ausschuss abliefern sollten.
Auf Höhe der Armory sahen wir, dass die Barrikaden mittlerweile gefestigt waren. Auf ihnen standen sich die Doomguard, die Sons of Mercy und das Harmonium gegenüber und beäugten sich misstrauisch. Die Lage war sehr angespannt.
Je näher wir jedoch dem Ladys Ward kamen, desto entspannter schienen jedoch die Leute wieder zu werden. Jeder versuchte sich wieder in einen irgendwie gearteten Alltag einzufügen.
Wir erklommen die Stufen in das imposante Gebäude. Es war wirklich imposanter, als alles, was wir hier bisher gesehen hatten. Ein paar Wachen bewachten ein paar Leute, die mit Handschellen gefesselt waren. Sie schienen auf ihren Gerichtstermin zu warten. Ein Zwerg sass hinter dem Tresen der Anmeldung. Tappser schubste mich vor.
Nach einer gähnenden Unterhaltung mit Boris dem Rezeptionszwerg erklärte er mir, wo wir den Stellvertreter des getöteten Factols, Gunnar finden würden. Im oberen Stock fanden wir dann auch das Büro dieses Obersten Richters Gunnar Hasel. Hier schob ich Tappser vor. Ätsch!
Hinter einem Schreibtisch aus massiver Eiche sass ein gigantisches Eichhörnchen. Beziehungsweise ein Tier-Mensch-Mischwesen mit einem sehr puscheligen Schwanz, der das gesamte Fenster hinter ihm verdeckte, sodass kaum Licht in das Büro hineinschien. Silvie guckte kurz hervor, war dann aber doch zu eingeschüchtert von dem grossen Artgenossen und verschwand blitzschnell wieder in meiner Tasche.
«Wie kann ich euch helfen? Oberster Richter Gunnar Hasel, zu euren Diensten.»
Hasel! Jetzt machte der Name so viel mehr Sinn!
Tappser stellte uns vor und gab ihm den Brief. Das Eichhörnchen öffnete ihn mit seinen Nagezähnen und hielt sich die Schrift ganz nah vor die Augen. Dann kramte es in einer Schublade und zog eine Brille hervor, die es sich auf die Nase setzte. In Ruhe las es sich nun den Brief durch.
«Hm, das klingt interessant, da schliesse ich mich gerne an! Also ich weiss nicht, ob ich persönlich da sein kann, aber ein Vertreter des Fraternity Order wird bestimmt dabei sein.»
So einfach war das gewesen!

Oberster Richter Gunnar Hasel (KI generiertes Bild. Erstellt auf Nightcafe)

Waren wir jetzt fertig? Waren wir frei zu gehen? Eigentlich ja!
«Warum nicht jetzt gleich versuchen, durch die Tür nach Hause zu gehen?», schlug ich vor.
«Dann will ich mich aber zuerst von Eleanore verabschieden!», verkündete Tappser.
Ich seufzte. Da gab es wohl keinen Weg daran vorbei.
Der Tag war schon ziemlich fortgeschritten, aber das Licht war noch an. Ein wenig Zeit blieb uns noch, bevor es dunkel wurde. Also machten wir uns mal wieder zu Eleanores Villa auf.
Eleanore freute sich sehr, uns alle (und vor allem Tappser) wiederzusehen und lud uns prompt ein.
Tapper versuchte, Eleanore davon zu überzeugen, mit uns nach Faerûn zu kommen. Und plötzlich versuchte Eleanore unsere ganze Gruppe zu überzeugen, hier zu bleiben! Sie bot sogar an, ein Haus für uns zu kaufen!
Tappser war natürlich sofort überzeugt. Nehil bezeichnete er nur noch als ‹guten Freund›, als wir den Tabaxi ansprachen! Irgendwas stimmte nicht so ganz.
Die ganze Diskussion führte schliesslich dazu, dass Tappser sich dazu entschied, in Sigil bleiben zu wollen. Cinar war das ganze schon früh zuviel geworden und war rausgegangen. Irgendwann folgten auch Eule und ich. Dem war nicht mehr zu helfen. «Vergiss es du Idiot!», brüllte Cinar ihm noch ins Haus hinein nach.
«Und ihr wollt ihn wirklich hier lassen?», fragte Arthur.
«Wollen nicht aber ich weiss auch nicht, wie Eleanore ihn bezirzt oder verzaubert hat. Irgendwie geht das hier nicht mit rechtne Dingen zu.», überlegte ich laut.
Plötzlich sah Cinar auf: «Wo war das nochmal, wo ich meinen Fluch losgeworden war?»
«Achja, beim Tempel des Apollo!»
Cinar stand auf und machte sich schnellen Fusses auf den Weg dahin.
«Warte!», ich rannte ihm hinterher.
«Soll ich Tappser mitbringen? Ich kann ihn ja unter den Arm klemmen!», schlug Eule vor und rannte schnell wieder in Eleonores Haus hinein.
Doch ihr Versuch war leider erfolglos. Was für eine Kraft Tappser entwickelt konnte, wenn er wollte!

Abgehetzt und völlig ausser Atem standen wir kurze Zeit später vor dem Apollotempel. Ein Priester sprach uns an und Cinar brachte unser Anliegen vor. Jener erinnerte sich auch noch daran, dass auf Tappser irgend ein Zauber gelegen hatte. Er war zwar nicht dazu zu überreden, mitzukommen, aber gegen eine grosszügige Spende an Apollo und wenn der mit dem Zauber Belegte irgendwie in den Tempel zu bringen war, würde er versuchen, den Zauber zu brechen. Cinar war schon vor dem Satzende wieder umgedreht und nach draussen gerannt. Eule und ich schnauften hinterher. «Wir schnappen ihn uns beide gleichzeitig!», brüllte Cinar zu Eule unterwegs.
Cinars ganze Gewaltphantasien kamen nun hervorgesprudelt. Falls es nicht reichte, dass nur Tappser mitkam, wollte er Eleanores Kopf abschneiden.
«Wahrscheinlich ist dann der Zauber doch auch gebrochen», merkte ich an.
«Ja das hat er doch gesagt, der Tempelmann!»

Schnell stürmten Cinar und Eule ins Haus hinein. Ich blieb draussen und machte mich bereit, schnell wieder in die Gegenrichtung aufzubrechen. Ich hörte Schreie, Gefauche und Gerumpel. Also das Übliche, was zu erwarten war. Dann hörten Arthur und ich ein lautes PUFF! und es schossen Flammen aus den Türspalt hinaus.
«Ohmann, das scheint da drinnen doch etwas heisser zu und herzugehen, als geplant.», sagte ich zu Arthur und dieser nickte entschlossen und ging schon mal ins Haus hinein.
Ich holte nochmal in Ruhe Luft und ging dann nach.

Eleanore hatte sich Flügel wachsen lassen und war an die Decke geflogen. Was zur Hölle war sie denn für ein Wesen? Irgend eine Art Dämon wohl.
Tappser, der von Eule festgehalten wurde, konnte sich mit einem Krallenstoss befreien und stellte sich an Eleanores Seite. Die hatte ihn wohl ganz schön unter seiner Fuchtel. Sie flatterte mit Tappser ausser Reichweite.
«Können wir Tappser nicht wiederhaben, bitte bitte?», bettelte Arthur und versetzte seine Worte mit einer Art magischer Unwiderstehlichkeit, die sogar Wirkung zeigte!
«Ähm, vielleicht können wir noch einmal darüber reden», antwortet Eleonore nämlich nun und liess sich zu Boden sinken.
«Entlässt du ihn dann auch aus seinem Bann!?» – Cinar.
«Nein!», sie war sehr entschlossen.
Arthur lehnte sich jetzt sehr weit aus dem Fenster und fragte mit der gleichen beharrlichen Stimme: «Entlässt du ihn dann auch bitte aus deinem Bann?»
«Ach, na gut.»
Tappser schien aus einem Traum aufzuwachen. Er schüttelte sich und seinen Kopf. «Was… was ist hier los?» Er sah Eleanore an und in seinen Augen zeigte sich ein Aufblitzen des Verstehens – und der Trauer.
«Aber Eleanore! Wolltest du mich als Freund nicht verlieren oder ging es dir nur um Nahrung?»
«Du warst ganz besonders lecker!», antwortete sie. Das schien Tappser vollends von ihr abzubringen.
«Kommst du denn jetzt mit uns mit nach Faerûn oder willst du immer noch hier bleiben?», fragte Cinar ihn nun.
«Natürlich komme ich mit! Wenns ihr um mich gegangen wäre, wäre ich hiergeblieben, aber da sie in mir scheinbar doch nur Nahrung sieht, werde ich auf jeden Fall mitkommen.»
Er schien sich schnell von seiner doch länger währenden Infatuation mit Eleanore zu erholen.

Cinar klopfte Arthur auf die Schulter, als wir wieder draussen standen. «Sehr gut gemacht!»
«Zufall würde ich sagen», stellte dieser sein Licht unter den Scheffel.
Tappser entschuldigte sich bei Eule für die Schelle.
Arthur freute sich sehr über seinen ersten Monsterkampf. «Ja, das war mein erstes Monster!»

«Also entweder wir suchen uns nun hier eine Taverne und verbringen die Nacht nochmal hier oder wir versuchen gleich zu den Baracken zu gehen», schlug Cinar vor.
«Dann lasst uns gleich zu den Baracken gehen, ich denke, das kommt allen entgegen.»
Auf der Hälfte des Weges ging das Licht aus und die Laternenjungen knipsten ihre Lichter an. Alle, die ihre Kutten nicht mehr anhatten, zogen diese wieder an und wir betraten in formaler Schwärze die Baracken. Heute hatte eine Halblingsdame Dienst hinter der Rezeption. Wir fragten, ob wir unseren Termin mit Leutnant Mainz von morgen Mittag auf gleich vorverlegen könnten. Wir sollten uns hinsetzen und warten, meinte die Dame, Frau Mainz sei gleich bei uns.. Es dauerte nicht lange und mein Kinn fiel auf die Brust. Was war ich doch müde! Warten war gerade das Schlechteste, was mir passieren konnte.

Nicht viel später schreckte ich auf. Eine junge Frau stand vor uns. Sie stellte sich als Leutnant Meinz vor. Wenn es sehr dringend sei, dann könnte sie uns gleich jetzt dazwischen schieben!
«Das kommt mir auch ganz gelegen. Dann machen wir das einfach jetzt schnell und ich kann morgen länger Mittagspause machen.»
Und sie bat uns zu folgen und führte uns hinunter in die Gruft bis zur Zelle 210. Sie zog einen Schlüssel aus ihrer Tasche und öffnete das Tor.
«Einmal eintreten.»
Cinar, Eule, die Jungs und ich gingen hinein. Tappser, der um Zettel und Stift gebeten hatte, schrieb noch einen Brief fertig und übergab ihn Leutnant Mainz. Sie nahm in an und schloss die Tür. «In Ordnung, war schön mit euch!», verabschiedete sie sich von uns. Als sie den Schlüssel zum zweiten Mal umdrehte, wurde es dunkel.

Als es wieder heller wurde, fanden wir uns in einem Lagerhaus wieder. Die Tür schwang auf und gab den Weg frei in einen Raum mit grossen Stapeln von Kisten und Fässern in einem staubigen Haus. Uns wehte schwüle, warme Luft entgegen. Es war heiss, sehr heiss. Als wären wir in einen Ofen hineingeraten.
Tappser verlor keine Zeit und rief: «Gildenhallenamulett!»
Und in seiner Hand erschien ein altbekannter Gegenstand.
Wir frohlockten. Wir waren wieder in Faerûn. Endlich.

In der Hafenstadt Calimport (Bild von Jana auf Pixabay)

Wir wollten aber die Türe der Gildenhalle noch nicht zu uns rufen, sondern vorerst die Neugier siegen lassen und einen Blick in dieses Calimport werfen. Tappser trat als erstes hinaus. Danach ich. Ich sah fremdartige Gebäude, exotische Pflanzen und verschleierte Gestalten. Ich trat in den Sand. Die warme Meeresbrise war immerhin besser, als die stehende Luft in der Lagerhalle. Da waren ja sogar Palmen! Darüber hatte ich bislang nur gelesen! Unsere Laternenjungen zerflossen auch fast vor lauter Schwitzen.
«Also ich bin tatsächlich neugierig, was man hier so alles erleben kann, aber ich habe auch Heimweh und möchte gerne wissen, was in unserer Gildenhalle passiert ist. Ich würde vorschlagen, wir versetzen unsere Eingangstür hierher und schlafen uns erst mal aus.», schlug Cinar vor.
Damit waren alle einverstanden. Die Sonne hier stand kurz nach dem Zenith, in Sigil war es ja gerade dunkel geworden. Sogar die Zeit schien in den beiden Existenzebenen unterschiedlich abzulaufen.
Wir versetzten unsere Eingangstüre von Hopefast nach Calimport einfach an eine Hauswand, sodass es aussah, als ob da eine weitere Tür war. Es war zwar eine reichlich exotische Tür für diese Gegend in Faerûn. Hoffentlich fiel sie für den Moment niemandem weiter auf. Vor allem keine Stadtwachen, wir waren ja gewarnt worden, dass mit dem Herrscher hier nicht zu spassen war. Doch darüber würden wir uns später Gedanken machen müssen. Ich für meinen Teil wollte einfach nur mein Bett wiedersehen. Wir luden natürlich unsere Laternenjungen mit in die Gildenhalle ein und betraten endlich wieder unser trautes Heim.

Und wie sich das Innere verändert hatte! Überall waren plötzlich Häuser hingebaut worden! Wir betrachteten alles mit grossen Augen. Doch irgendwas war seltsam. Wir sahen keine anderen Menschen. Auf dem Marktplatz waren richtige kleine Holzhäuser als Stände aufgebaut worden. Die Stände waren alle gut mit Waren bestückt, doch auch hier schien niemand zu sein.
Plötzlich erblickten wir einen riesigen magischen Hirsch, der aussah wie ein Waldgeist und Karotten vom Stand frass! Mielikki hatte einen Botschafter geschickt!
Ich begrüsste ihn in Gedanken, doch es kam keine Antwort. Das Wesen schnaufte nur genervt. Also versuchte ich, ihm eine Aura von Wald und dem Gefühl von Mielikki zu schicken. Es schien dadurch ruhiger zu werden. Ich versuchte, seine Magie zu spüren. Er war tatsächlich ein durch und durch magisches Wesen aus einer Naturmagie. Eine mit Mielikki verwandte Magie, doch nicht von Mielikki selbst. Kurz darauf drehte das Tier sich um und trabte schnaubend in Richtung Wald davon. Wow. Einfach nur Wow.

Das magische HIrschwesen (Bild von Peter auf Pixabay)

Die anderen machten sich auf die Suche nach den Leuten, während ich den Laternenjungs anbot, sich ein ungenutztes Zimmer der Gildenhalle zu eigen zu machen. Cinar kam zu mir zurück und meinte, dass er niemanden finden konnte und ob ich sie nicht irgendwie magisch suchen könne. Durch meine Übermüdung konnte ich mich gerade nicht richtig erinnern, irgendwas mit einer Hand konnte ich mal, die mir den Weg zu bekannten Personen wies. Ich könnte jemanden mit Gedankenmagie ansprechen! Nehil! Dass ich darauf nicht früher gekommen war!
Doch Cinar hatte mir gar nicht richtig zugehört und war schon auf dem Weg zu den neuen Häusern.
Dort klopfte er an mehreren Türen, bis endlich Miranda, die Zwergenbibliothekarin, aufmachte. Endlich eine andere Person! Sie war auch sehr erstaunt, uns zu sehen.
Miranda erzählte uns, dass der Roc wohl durchgedreht war, sich satt gegessen hatte, und die Hintertür irgendwie kaputt war. Danach hatten viele entschlossen, die Gildenhalle zu verlassen. Der Roc hatte 15 Leute gefressen, dann hatten die Kinder um Sahid ihn unter Kontrolle gebracht. Lady Tharbjörn wurde sofort die Erlaubnis entzogen, ihn zu trainieren und die Jungen hatten ihn seither sehr gut unter Kontrolle. Nehil hatte die Leute begleitet, um sie sicher nach Hause zu bringen. Sonst ging es allen, die noch da waren, sehr gut. Es waren allerdings nur noch zwanzig Leute in der Gildenhalle und wir waren über zwei Monat weg gewesen! Die Uhren tickten ja tatsächlich gänzlich anders in Sigil!
Nach dem Hirsch gefragt meinte sie, dass sie so ein Wesen aus Legenden kenne. Es sei ein Naturgeist, dem man Opfergaben darbringen solle für reiche Ernten. Ein gutes Omen also.

Kurze Zeit nach unserer Unterhaltung mit Miranda kam Tappser auch bei den Häusern an. Wir erzählten ihm alles. Dann wollten wir zum Hinterausgang gehen, um da zu sehen, was da kaputt war. Auf dem Weg kamen wir an einem Friedhof mit 15 Gräbern vorbei. Die Opfer des Roc. Wie traurig!
Die Hintertür ging tatsächlich gar nicht auf. Weder durch ziehen noch durch schubsen. Oje! Nehil und die anderen waren alle durch die Vordertür, die wir soeben um einen halben Kontinent versetzt hatten, verschwunden.
Tappser machte sich auf, um nach weiteren Leuten zu suchen. Da kam Eule auf mich zu, und fragte mich, ob ich Nehil nicht eine Nachricht schicken könne. Die Idee war mir vorhin schon gekommen, als Cinar mich gefragt hatte, doch ich hatte es vor lauter Aufregung und Erschöpfung schon wieder vergessen.
Ich sandte: «Hallo Nehil, wir sind zurück, waren gefangen. Leider Vordereingang versetzt. Wo bist du? Was ist mit der Hintertür passiert?»
Nach einer kurzen Zeit kam die Antwort: «Schön, dass es euch gut geht! Wie geht es meinem geliebten Tappser? Ich bringe die Leute nach Neverwinter. Die Hintertür wurde zerstört.»
Eine Antwort kontte ich ihm heute nicht mehr schicken. Ich war so müde. Ich musste erst mal ins Bett. Eule meinte, dass das eine gute Idee sei und wollte sich auch auf ihren Schlafbaum zurückziehen. In der Gildenhalle sassen die Jungs am Esstisch und taten sich an den exotischen Früchten gütlich. Ich wünschte ihnen noch eine gute Nacht und meinte, dass sie sich ganz wie zu Hause fühlen könnten und ging dann ins Bett. Diese Nacht konnte ich endlich mal wieder richtig gut schlafen. Ich verstand auch sehr viel mehr, als nur ein Wort: «Lilly kennt den Indrik».
Was?

Am morgen wachte ich total schön ausgeschlafen auf und machte eine grosse Schüssel Müsli, für alle, die darauf auch Lust hatten. Nach und nach trafen alle am Frühstückstisch ein. Ich fragte, ob jemand Lilly kannte oder was ein Indrik ist doch die anderen schauten mich nur fragend an.
«Wisst, ihr was mir gestern aufgefallen ist? Hier geht das Licht nicht aus, es verschwindet hier gaaanz langsam.», verkündete Arthur.
«Ja, so ist das hier in Faerûn.»
«Das ist ja langweilig, dann braucht ihr gar keine Zeitmessgeräte. Und ab welcher Farbnuance muss man denn die Laternen einschalten?»
«Gar nicht, theoretisch kann man hier die ganze Nacht im Dunkeln rumlaufen.»
«Oh», er sah auf sein Stück Frühstückspizza hinunter. «Dann bin ich ja arbeitslos.»
«Dann kannst du ja jetzt Monsterhunter werden!», schlug Cinar vor.
«Ja!», Arthurs Augen leuchteten auf. «Das will ich eh schon seit ein paar Tagen!»
Das war für einen Elfjährigen Jungen schon eine lange Zeit.
Cinar wollte sich unbedingt seinen Roc ansehen gehen. Also gingen wir zum Waisenhaus. Mutter Edina machte uns auf.
Im Waisenhaus lebte eine Lilly! Der Indrik war wohl der Hirsch! Lilly brachte ihm jeden Tag einen Korb mit Obst. Ich lobte sie dafür, sie habe alles genau richtig gemacht! Auch meinte Lilly, dass sie in dem Wald schon Vögel gehört habe und sich fragte, wie der Indrik in die Gildenhalle gekommen sein könnte. Ausserdem hatte sie einen Unterschlupf im Wald gefunden. Den musste sie mir unbedingt mal zeigen!
«Doch jetzt suchen wir erst mal den Roc.»
«Ach Sahid ist gerade mit ihm zu den Feldern gegangen.»
«Vieeeelen Dank Lilly!» und schon war Cinar wieder rausgehuscht.

Bei Sahid, Maurice und dem Roc angekommen, kreischte der Roc erst mal laut auf, als er Cinar bemerkte. Eule und ich wurden Zeugen, wie Cinar ein ganz kleines bisschen zusammenzuckte. Sahid hatte ihn aber schon ganz gut unter Kontrolle. Lady Tharbjörn war zwar für die ganze Eskapade verantwortlich, doch Cinar fühlte sich sehr schlecht. Schliesslich hatte er den Roc unbedingt in die Gildenhalle bringen wollen. Aber er freute sich sehr, dass dieser langsam sehr gut dressiert war. Cinar erzählte Sahid von unseren Abenteuern in Sigil. Als er da angekommen war, wo wir in Calimport rausgekommen waren, fingen die Augen des Jungen an zu leuchten.
«Calimport ist meine Heimat! Da lebt noch meine ganze Familie!», Sahids Eltern und er waren als Händler nach Sundabar gekommen. Als alle fliehen mussten, durfte nur er in die Gildenhalle, da er noch ein Kind war. Seine Eltern waren durch das Underdark geflohne. Aber seine Grosseltern lebten noch immer in der Hafenstadt Calimport.
«Es ist ganz einfach, so gefährlich ist es dort nicht, man muss sich nur an die Gesetze halten, dann passiert einem nichts.»
Cinar verabredete sich kurzerhand mit Sahid zum Mittagessen in der Gildenhalle, um einen Crashkurs in Calimportkultur zu erhalten.

Die Kräutersammlung für Vala (Bild von Elocin91 auf Pixabay)

Da sonst nichts geplant war, wollte ich gerne mit Lilly auf Abenteuerexkursion in den Wald gehen. Eule wollte auch mitkommen, sie vermisste die Natur wohl genauso sehr wie ich. Lilly hatte schon ihren roten Mantel an- und die Kapuze hochgezogen und einen grossen Früchtekorb gepackt.
«Bitte zeig mir, wie du es sonst immer machst. Dann würde ich den Unterschlupf auch gerne sehen.»
Lilly führte uns auf eine kleine Lichtung, in deren Mitte das Gras etwas niedergetrampelt war. Dort lagen halb angebissene Äpfel, Salatköpfe und ein paar Maiskolben und Mohrrüben. Wir hörten auch die benannten Vögel in den Bäumen singen. Es waren definitiv Hirschspuren überall zu erkennen. Aber es gab auch Spuren von Mäusen und Kaninchen.
«Kaninchen hab ich auch schon gesehen, aber die sind schon sehr schüchtern. Es kommen immer mehr Tiere hier in den Wald.»
«Vielleicht sorgt ja der Indrik dafür, dass der Wald hier belebt wird.»
«Das wäre schön. Soll ich euch noch die Ruine zeigen?»
«Sehr gern!»
Sie führte uns tiefer in den Wald hinein. Dann standen wir plötzlich vor einem Steingebilde, es war schon total mit Moos und Flechten überwachsen, etwa zwei mal zwei Meter gross. Vor einiger Zeit wurde hier zumindest schon einmal ein Feuer gemacht. Aber das war lange her.
Lilly wollte noch Kräuter suchen gehen und wir beschlossen, ihr zu helfen, um so den Wald (und auch Lilly) besser kennen zu lernen. Und so verbrachten wir einen vergnügten und lehrreichen Morgen im Wald.
Sie hatte die Kräuter für Vala, die Alchemistin gepflückt. Vala war komplett überrascht, uns zu sehen und freute sich sehr über die Kräuter. Sie forschte gerade an einer Tinktur für bessere Ernteerträge, die vor zwei Monaten noch etwas mehr Sinn gemacht hatte. Doch sie wollte ihre Forschung mittendrin nicht aufgeben. Vielleicht kämen ja irgendwann wieder etwas mehr Leute in die Hallen. Ich erzählte ihr von Calimport und was passiert war. Dann übergab ich ihr noch die Kaffeebohnentrauben für ihre weiteren Forschungen. Sie war so davon fasziniert, dass sie auf dem Weg in ihr Labor fast Aki, ihren Sohn, umlief.

Calimport.
«Es ist schon nicht mehr ganz so einfach, seit die neue Regierung an der Macht ist. Man muss sich aber bloss an die Regeln halten und unauffällig bleiben,», erklärte uns Sahid beim Mittagessen.
«Da sind wir aber leider nicht so gut drin.», meinte Cinar.
«Und ansonsten nicht mit Wachen sprechen, aber auch keinen zu grossen Bogen um sie machen. Flüstern ist zu vermeiden, nicht rumschreien, also normal laut unterhalten. Oh und es gibt eine nächtliche Ausgangssperre, das ist auch noch sehr wichtig.»
«Brauchen wir Laternenjungen?», fragte Cinar.
«Was sind Laternenjungen?»
Cinar erklärte es.
«Also ich glaube nicht, dass die uns um die Ausgangssperre bringen würden. Und als Fremder kommt man sowieso nicht in die Stadt rein ohne Genehmigung.»
«Also wir müssten, um deine Familie zu besuchen, wir eine Genehmigung haben?»
«Eigentlich schon. Aber, hmmm, vielleicht lassen sie euch ja rein, wenn ich euch begleite.»
«Vielleicht könnte man die Wachen fragen», meinte Tappser hilfreich.
«Du sollst doch nicht mit den Wachen reden, hast du nicht zugehört Tappser!», fuhr Cinar den Tabaxi an.
Wir unterhielten uns noch über verschiedene Sachen. Eule und ich mussten uns noch angemessene Kleidung besorgen. Zum Glück waren die schwarzen Kutten ausreichend, nur Eule und ich sollten noch kleine Seidenschleier vor dem Gesicht tragen, wie alle Frauen vor Ort. Ausserdem sollten wir uns Gedanken über einen guten Platz für unsere Türe finden, da sie doch sehr andersartig aussah und dort, wo sie jetzt stand, sehr auffiel. Am Hafen gab es aber vielleicht irgendwo eine unauffällige Ecke, die wir mieten und da die Tür verstecken konnten.

Nach dem Essen trainierte Cinar nochmal zusammen mit Sahid, damit der Roc sich auch schon ein wenig an ihn gewöhnen konnte. Schliesslich sollte dieser ja mal ein Reittier für ihn werden.
Ich suchte noch ein paar Schleier am Markt für Eule und mich. Das war eine relativ einfache Angelegenheit, also sah ich mich noch ein wenig weiter in der Gildenhalle um. Da fiel mir auf, dass die Früchte und Ähren auf den Feldern relativ trocken aussahen und machte mich noch bei der Ernte behilflich. So war ich noch den Rest des Tages beschäftigt, wie die anderen auch, die sich auch Beschäftigungen gesucht hatten. Vor dem Abendessen wusch ich mich und meine Klamotten noch und dann liessen wir den Tag im gemütlichen Beisammensein ausklingen.
Schliesslich legten wir uns in unsere Betten und schliefen in den himmelweichen Federn ein.
«Die Wüste holt jedes Paradies ein.», flüsterte es mir in der Nacht zu.


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