Würfel
Kurzgeschichten,  Rollenspiel

Yara 20 – Diebe und Winter

Auf dem Weg in die Taverne, wo die ganzen Bauern untergekommen sind, fiel uns wieder auf, wie unterernährt die zivile Bevölkerung in Nesmé aussah. Die Unterkunft sah gar nicht einladend aus. Der Umstände geschuldet war sie natürlich sehr voll, es herrschte ein Gedränge und von Gemütlichkeit fehlte jede Spur. Nur gelangweilte und ausgehungerte Gesichter schauten uns entgegen.
Tappser fiel eine Frau im mittleren Alter auf (das ist für Menschen so um die dreissig Jahre alt), in dreckiger Kleidung. Sie redete mit einer Wache hinter dem Tresen, der zu einer Rezeption und Informationsschalter umgebaut worden war. Die Frau klang flehend, Tappser konnte nur ein Wort raushören, aber das genügte: «Vermisste»!
Die Wache gab der Bäuerin allerdings auch zu verstehen, dass da nichts getan werden konnte. Nachdem Tappser sie uns auch gezeigt hatte, ging ich zu ihr hin und fragte, wer vermisst würde.
«Ach gottseidank nimmt sich jemand meiner an. Meine Schwester und ihre Familie sind vermisst! Elisabeth lebt mit ihrer Familie draussen im Norden aber auf keiner LIste sind sie noch ihr Mann oder Kind aufzufinden. Vielleicht haben sie sich auch im Keller versteckt, ihr Hof ist nördlich des Waldes!»
Also fast vor dem Lager der Orks. Mir schwante Übles. Es konnte allerdings unseren Verdacht bestätigen, dass die gegnerische Armee Gefangene genommen haben könnten, die die Kornspeicher der Stadt verraten hatten.
Ich versprach der Bäuerin, dass wir als Helden (hust hust!) und Abenteurer von Sundabar versuchen würden, die Späher der Stadt auf ihren Fall aufmerksam zu machen, damit diese mal nachsehen konnten. Und es schadete nicht zu fragen, ob ihre Schwester zufälligerweise alle Kornspeicher der Stadt kannte.
«Nein, meine Schwester kannte wohl nicht alle Lager, es werden aber noch einige weitere Personen vermisst!»
Also könnten sich die Orks, wenn sie mehrere Gefangene genommen hatten, mit etwas Verhör-«taktik», eventuell schon ein umfassendes Bild der Stadtlager gemacht haben. Aber wir wollten nicht ganz ausschliessen, dass es doch einen Verräter geben könnte.

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Zunächst wollten wir aber zurück zur Kaserne, um mit den Spähern zu sprechen.
Erste Vorräte waren schon angekommen. Nicht viel, aber immerhin besser als nichts. Es lag hier schon mehr Proviant, als zuvor.
In einer Ecke des Raumes, an einem runden Tisch, sass tatsächlich eine Gruppe Waldläufer und Späher und spielten Karten. Bis auf eine Elfin alles Menschen.
Tappser ging zielstrebig auf sie zu. Anscheinend hatte die Elfe das Kommando über die anwesende Truppe. Unser Tabaxi erzählte ihr, was wir von der Bäuerin in Erfahrung gebracht hatten und dass wir uns vorstellen konnten, dass die Orks über die vermissten Personen an Kenntnisse über die Lager gekommen sein könnten.
«Spähtrupps können wir aber nicht aussenden. Dafür sind einfach keine Ressourcen da», entgegnete die Elfin.
Auf weiteres Nachbohren von Tappser erfuhren wir noch etwas mehr zur Lage Nesmés:
«Magier gibt es hier nicht, nur einige wenige Alchemisten. Schliesslich ist dies ja nur eine unwichtige, ländlich geprägte Stadt, wie Mithral Hall auch. Es bleibt uns im Moment nichts anderes übrig, als auf Vorräte und Verstärkung zu warten. Und zu hoffen, in der Zeit nicht überrannt zu werden…»
«Ja, warum greifen die Orks nicht jetzt an, wo die Stadt am geschwächtesten ist und ohne Essen oder Verstärkung?»
«Ich vermute, dass sie auf Belagerungswaffen oder irgend etwas anderes aus dem Norden warten. Auch bin ich mir nicht sicher, ob wir innerhalb der Stadt wirklich allen vertrauen können. Allein die Diebesgilde hat ja genug Dreck am Stecken», machte sich Leah, die Elfin, Gedanken.
«Aber warum sollte sich die Diebesgilde ihre eigene Lebensgrundlage wegverraten wollen…?», warf Tappser ein.
«Nunja, mit Mutmassungen kommen wir hier nicht allzu weit. Vielleicht solltet ihr mit dem Kommandanten der Stadt sprechen, um dem auf den Grund zu gehen.»
Trotzdem konnte es auch gut sein, sich mit der Diebesgilde kurzzuschliessen, vielleicht hatten sie ja Wissen über Tunnel oder alte Karten. Da wir uns sowieso gerade in der Kaserne befanden, besuchten wir erst den Kommandanten. Sein Büro befand sich im oberen Stockwerk der Kaserne.

Die Wache vor dem Büro hielt uns erst mal auf, was wir hier wollen würden, wollte sie wissen. Wir gaben uns als Abenteurer aus Sundabar zu erkennen und er liess uns etwas skeptisch blickend durch.
Der Kommandant war… ein Halbork! Das war mal eine unerwartete Überraschung.
«Hauptmann Grand von Nesmé, wie kann ich euch helfen?», begrüsste er uns kurz angebunden.
«Wir haben ein paar Fragen. Ihr habt bestimmt schon von den Vermissten gehört», stieg Tappser ein.
«Ist mir bekannt.»
«Wisst ihr, wer alles Wissen über die Vorratslager hatte?»
«Nicht alle Bauern wussten über alle Lager Bescheid.»
Hm, das war einigermassen neu.
«Das heisst, über mehrere Vermisste könnten die Orks über die Lager umfassende Kenntnis erhalten haben…andererseitzs… wisst ihr, wo die Diebesgilde hier ist?»
«Was wollt ihr von der Diebesgilde?», Herr Grant war jetzt doch einigermassen überrascht. Das sagten mir seine Augenbrauen.
«Erkundigungen», gab Tappser mysteriös zurück.
«Nun, wir kennen ein altes Lager der Gilde, aber nichts Aktuelles. Eines haben wir letztens ausgeräuchert. Sie halten sich allerdings vor allem im Nord- und Südwestlichen Teil der Stadt auf. Für mich scheint es am schlüssigsten, dass es die Bauern verraten haben.»
Nun, der Kommandant schien zwar kurz angebunden, grantig (der Name war Programm!) und mürrisch zu sein, aber er wirkte auch ehrlich auf uns. Also auf mich jedenfalls.
«Braucht ihr die Position vom alten Versteck?», und er zeigte es uns auf einer Karte.

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Wir suchten uns eine Taverne in der Nähe des Hauses, das der Halbork uns gezeigt hatte, um nicht direkt in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Verstecks gesehen zu werden. Tappser gab uns allen ein gestrecktes Bier aus und fragte den Wirt nach «Jemanden, mit dem man reden könnte»…in der Diebessprache. Doch auch der Wirt wusste nicht viel. Wir genossen unser lauwarmes Bier. Ich war etwas peinlich berührt, da er in der Diebessprache so rumgeschrien hatte.
An einem Tisch am gegenüberliegenden Ende des Raumes sass eine rothaarige Frau in Ledergewändern, die mir irgendwie bekannt vorkam. Rhea!!! Sie sass einfach dort mit zwei muskelbepackten Typen und spielte Karten um Geld. Sowas hatte ich noch nie verstanden, warum musste man um Geld spielen?
Ich rief ihren Namen durch die Taverne (jetzt war ich etwas lauter und die anderen etwas peinlich berührt). Sie schielte erschreckt zu mir heruüber und bemerkt uns dann auch, ist aber durch das Spiel etwas abgelenkt. Zeit, dem ein Ende zu machen!
Tappser sprach sie an, während ich sie von der Seite umarmte. Wir hatten uns so lange nicht gesehen! Ich hatte nicht gedacht, sie überhaupt jemals wiederzusehen und jetzt war sie einfach da! Rhea schien aber leider nicht so glücklich darüber zu sein, erkannt zu werden. Es spiegelte sich jedoch sichtliche Erleichterung auf ihrem Gesicht, als sie sie unserer erinnerte. Wir schauten ihr noch beim Spielen zu und sie gewann. Es lag eine Menge Gold auf dem Tisch, das sie alles einsackte.
Viel erfuhren wir über sie leider nicht. Vor allem, weil sie sich anschickte, zu gehen! Da hatten wir sie doch gerade wiedergefunden. Also luden wir sie in unsere Gildenhalle ein. Ihr Zimmer in dieser Stadt war wohl sehr ungemütlich. Tappser verschwand in den Schatten auf dem Weg zurück zum Gildenportal. Er beschattete die Schatten, die uns beschatteten. Die beiden Typen, die Rhea beim Kartenspiel hatte alt aussehen lassen. Auch sie schien etwas skeptisch zu sein, als wir uns der Kaserne näherten. Wir erklärten ihr das mit den Vorräten und wie wir diese aufstocken wollten.
Während wir also die Kaserne betraten, stellte Tappser die beiden anderen Herren zur Rede. Er versuchte, sie in der Diebessprache anzusprechen und Informationen aus ihnen rauszukriegen. Und es gelang ihm sogar ein bisschen. Die beiden Typen waren anscheinend auch nicht so ganz von hier und wussten einiges über die Bande zu sagen. Nichts Positives. Das sei hier die schlimmste Diebesgilde, denen sie jemals begegnet waren. Die hätten wohl ihren sehr eigenen Kodex hier und seien etwas anders drauf, als in anderen Orten. Sie hätten schon viele Städte bereist und die Gilde hier sei ganz schön weichgespült. Mit weiteren Informationen hielten sie sich bedeckt, es sei denn, Tappser könnte eine Gegenleistung erbringen. Er sollte das Gold, das sie an Rhea verloren hatten zurückholen, dann würden sie ihm etwas verraten. Der grosszügige Tappser gab den beiden jeweils 50 Gold (von den 70 die sie je verloren hatten) und sie verrieten ihm sogar, wo die Diebesgilde ihr derzeitiges Versteck hatte.

In der Gildenhalle angekommen, wurden Rheas Augen noch grösser als sonst. WIr boten ihr eines der Zimmer an und natürlich Zutritt zur Küche. Das liess sie sich nicht zweimal sagen! Tappser erzählte uns unterdessen, was er von den beiden Kerlen erfahren hatte. Und zu Rhea gewandt:
«Du schuldest mir 140 Gold!»
«Warum?»
«Weil du das den beiden Typen abgenommen hast.»
«Die sind selber schuld, wenn sie sich im Kartenspielen blamieren.»
«Du hast doch betrogen!»
«Na und? So macht man das eben, müssten die beiden ja auch wissen.»
«Jetzt gib mir schon das Gold, das du mir schuldest!»
«Ich schulde gar niemandem was, das hab ich ehrlich verdient!»
«So so, als ehrlicher Dieb mit gezinkten Karten oder wie?»
«Ja, na klar, so sind Diebe eben, müsstest du ja auch wissen, wenn du in der Diebessprache so in der Öffentlichkeit rumschreist!»
So ging es noch eine Weile hin und her, bis sie die Diskussion schliesslich auf den nächsten Tag verschoben. Ich kochte noch was für uns zwei, was Rhea sehr freute. Schon lange habe niemand mehr für sie so was Schönes gekocht. Das verstand ich nicht, sie war doch so lieb!
Nach dem Abendmahl ging ich in mein Zimmer und legte ich hin, nachdem ich mich noch um Silvie und Maturin gekümmert hatte. Das war mal wieder ein abenteuerlicher Tag gewesen.

Doch an richtigen Schlaf war nicht zu denken.
«Psswssspssswsssflüsterflüsterflüster.»
Irgendwann würde mich das noch in den Wahnsinn treiben. Bald. Ich machte wieder früh Frühstück für alle.
Am Frühstückstisch ging die Diskussion um das Geld weiter. Irgendwie konnten wir sie dann aber dazu überreden, sich über Tunnel in und aus Nesmé heraus umzuhören. Nachdem das Gespräch dann irgendwie peinliche Züge für Rhea und Tappser angenommen hatte, klaubte sie sich noch schnell ein paar Früchte zusammen und ging sich mal über Tunnel umhören.
Plötzlich stand sie wieder in der Tür, zitternd und mit Schnee bedeckt, beschwerte sie sich, dass unser Essen nicht lange halten würde. Na klar, es verliess ja die Gildenhalle nicht. Es sei aber richtig kalt draussen. Sehr kalt. Sehr sehr kalt. Drachenkalt. Oh oh… war da nicht mal was mit einem Eisdrachen gewesen? Dem mussten wir auf den Grund gehen. Über Tunnel konnte sie sich wieder erkundigen gehen, wenn das Eis geschmolzen war.

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Nesmé war plötzlich kalt. Sehr kalt. Alle Kamine der Kaserne loderten. Keiner wusste so richtig, was los war. Es war nachts plötzlich bitterkalt geworden und die Kälte war kaum zu vertreiben, auch wenn man noch so viel heizte. Wir sollten nicht lange draussen bleiben, rieten uns die Arbeiter in der Kaserne, es sei schaurig kalt. Draussen herrschte auch dickes Schneegestöber. Das kannten wir ja schon aus dem Gebirge, doch der Schnee schien nicht liegen bleiben zu wollen. Trotzdem mussten wir wissen, was los war.
Es war SEHR kalt. Wir waren froh, als wir an der Kathedrale angekommen waren. Drinnen wurde es nicht viel wärmer, obwohl auch dort ein Feuer brannte.
«Ihr seid hier!», grüsste uns Bruenor, «Leah befindet sich gerade auf dem Turm und hofft, etwas herauszufinden. Dieser Schneesturm ist plötzlich aus dem Nichts aus dem Westen aufgezogen. Seltsamerweise nicht aus dem Norden, wo er normalerweise herkommen sollte. Und so kalt war es noch nicht mal oben in Mithral Hall im Winter geworden. Da ist definitiv Magie im Spiel.»
Da kam Leah von ihrem Ausblick herunter.
«Die Ursache des Sturms muss sich irgendwo oben in den nordwestlichen Bergen befinden. Sicher ist es zwar nicht ganz, aber die Kältezelle scheint sich dort zu bilden.»
«Vielleicht beherrschen ja die Frostriesen eine Art Eismagie», warf Drizzt Do’Urden ein, «und können so einen Sturm heraufbeschwören. In der Schneiderzunft könnt ihr euch bestimmt etwas sehr warmes schneidern lassen, um diesen Sturm zu untersuchen. Dies sollten wir auf jeden Fall tun. Feuerholz bleibt uns nämlich maximal noch für zwei Tage, zumal der Winter hier gerade vorüber ist und nun die ganze Stadt ihre letzten Reserven verbrennt.»

Nach einer kurzen Verschnaufpause begaben wir uns wieder in die Eiseskälte und rannten zur Schneiderzunft. Tatsächlich schine es dort etwas wärmer zu sein, als in der Kathedrale. Alle Hände waren schon eifrigt dabei, Winterkleidung zu schneidern. Als die Vorarbeiterin uns als die Hilfe von ausserhalb erkannte, reichte sie uns ein paar Mäntel zur Anprobe. Für Cinar und Tappser waren sei zu klein, für mich zu gross. Aber zum testen reichte es. Also zog ich einen an und ging raus.
Es war durchaus noch kalt, aber es liess sich gerade so aushalten. Wenn wir uns aber für längere Zeit warm halten wollten, musste der Mantel noch etwas dicker sein. Die Vorarbeiterin verdrehte die Augen, aber es half nichts. Die Mäntel mussten so oder so nochmals überarbeitet werden. Ein paar Schneiderinnen nahmen Mass und wir warteten auf die Fertigstellung der Mäntel.
Am Ende reichte man uns Mäntel, die mehr riesige Kissen zu sein schienen. So würde es sich jedoch aushalten lassen. Sie waren zwar sehr unförmig und man konnte sich kaum darin bewegen aber immerhin würden wir nicht nach ein paar Stunden erfrieren. Sie gaben uns noch zwei weitere Kissenberge für Drizzt und Bruenor mit und wünschten uns viel Glück.

Nun war uns gemütlich warm, während alle anderen in der Kathedrale zitterten. Drizzt Do’Urden wollte uns begleiten. Bruenor würde hier bleiben. Beide konnten sie die Stadt nicht verlassen. Wir begaben uns zum nordwestlichen Tor und verliessen schnell die Stadt. Es schienen sogar weniger Orks als sonst draussen zu sein, doch lange liessen sie trotzdem nicht auf sich warten. Die vier Orks konnten wir aber mit Hilfe von Drizzt relativ einfach besiegen. Hey, kämpfen hielt auch warm!
Langsam kamen wir ins Gebirge. Einmal konnten Tappser und Cinar vor uns auf einem Plateau Kreaturen erahnen. Noch mehr Orks. Doch auch dieser konnten wir uns schnell entledigen. Sehr schnell. So erbarmungslos, dass der letzte Ork geschockt die Flucht ergriff. Tappser rannte schnell hinterher und streckte auch diesen noch nieder. Im Fall konnte der Ork ihm allerdings noch eine tiefe Wunde zufügen. Doch wozu war ich da? Zumindest ein bisschen konnte ich die Wunde zuheilen. Weiter gings. Immer weiter hinauf in die Berge.

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