Würfel
Kurzgeschichten,  Rollenspiel

Yara 12 – Von Echsen und Schattengestalten

Wir beschlossen, trotz der schrecklichen Entdeckung, dass das Heiligtum wohl eingestürzt zu sein schien, eine kurze Rast zu machen. Wir waren alle angeschlagen von den Kämpfen und wollten mit Bedacht weiter vorgehen.

Nachdem wir wieder alle einigermassen bei Kräften waren, schickten wir Tappser vor, die Ruine weiter auszukundschaften. Er verschmolz wieder einmal mit seiner Umgebung und ging zurück in den Raum des letzten Kampfes. Beim verdorrten Baum standen zwei Echsenmenschen, die sich unterhielten. Die eine schien gerade einen Zauber zu Ende gewirkt zu haben. Dann kümmerten sie sich um ihren gefallenen Kameraden. Sie trauerten um ihn.
Durch den Baum schien ein Wind zu fahren, die Äste und Blätter wackelten. Dann redeten die Echsen davon, dass sie die Ruinen um jeden Preis beschützen müssten, wer auch immer das getan hätte, sollte dafür büssen.
Tappser schlich sich in die Kammer und knockten die magisch begabte Echse aus, daraufhin bekam er aber von hinten sowas von eine übergebraten, dass er durch den halben Raum flog. Der Baum hatte ihn mit einem seiner Äste geschlagen!

Hinter der Kustilani Tür, die mehr ein Gitter war, hatten wir das Meiste mitbekommen und versuchten, so schnell wie möglich Tappser zu Hilfe zu eilen. Währenddessen griff dieser schon die zweite Echse an, zog sich aber sofort hinter eines der Zelte zurück, die in den Ecken des Raumes standen. Schnell rannte Cinar in den Raum hinein, um die zweite Echse auch bewusstlos zu schlagen. Nun war erst mal Ruhe vor den Echsen. Aber was war das mit dem Baum?

Bild von MichaelGaida auf Pixabay

Plötzlich bebte die Erde und die Wurzeln der Eiche hoben sich aus dem Boden empor! Sie rannte in windeseile auf Tappser zu und schlug ihn zweimal!
Dass ich einmal gegen die Natur kämpfen müsste, hätte ich nie gedacht. Ich rannte auf den Baum zu, hob meine Hand und rief laut: «HALT!», woraufhin der Wind im Baum nachzulassen schien. Offenbar hatte der Echsenmensch einen animierten Baum erschaffen – eine Art schwächeren Ent, der demjenigen gehorcht, der ihn animiert hat. Und zwar nur demjenigen.
Tara schoss mit ihrer Magie auf den Baum und einige Blätter taumelten zu Boden.
Cinar schlug mit seinem flammenden Schwert auf den Baum ein, woraufhin ein paar Äste zu Boden fielen und zu Asche verbrannten.
Ich heilte Tappsers Verletzungen ein wenig, doch mein Schuss auf den Baum prallte an der Höhlendecke ab. Notiz an mich selbst: Zielen üben!
Tappser schoss einen Pfeil ab, der in der Rinde des Baumes stecken blieb. Ob das wehtat?
Noch mehr Blätter fielen zu Boden, als Tara nochmals auf den Baum schoss.
Als Cinar weiter auf den Baum einschlug, fing das Blätterdach langsam an, sich weiter zu entzünden.
Noch ein Pfeil von Tappser schlug in seinen Stamm ein.
Doch dann war es wohl zu viel für den Baum: das Feuer breitete sich in seiner gesamten Krone aus, Cinar schlug nochmals zu und der Rest des Ents verbrannte zu Asche.
Mein armer Baum, was musste er alles durchmachen!

Aber keine Zeit für Trauer, wir mussten die ausgeknockten Echsen und die anderen Leichen, die wir im Eingangsbereich hinterlassen hatten durch die Kustilani-Türe in den geschützten Teil der Ruine bringen.

Bild von Sarah Richter auf Pixabay

Tappser und ich wollten den magisch begabten Echsenmenschen etwas aushorchen. Dafür musste ich ihn nur erst einmal aufwecken. Natürlich hatten wir die ausgeknockten Echsen vorher gefesselt. Nur, um sicher zu gehen.
Tappser versuchte zuerst zu beschwichtigen, indem er erklärte, dass die getöteten Echsen uns zuerst angegriffen hatten. Das konnte er uns zwar nicht so ganz glauben, aber irgendwie schafften wir es, ein Gespräch zu entwickeln.
Auch die Echsen hatten wohl Probleme mit Entführungen oder Verschwinden von Mitgliedern ihres Stammes. Eigentlich war der Stamm friedliebend und sammelte Beeren und Pflanzen. Doch von einigen Sammelausflügen waren wohl einige nicht zurückgekehrt.

Ich fühlte mich total schuldig. Die Tiere, denen ich die Ruine überlassen hatte, waren wohl nicht mehr hier gewesen, als die Echsen ankamen. Natürlich fühlten sie sich für diesen heiligen Ort verantwortlich. Wenn sie so naturverbunden waren, mussten sie ja spüren, dass hier irgend etwas Wichtiges, etwas Magisches, Heiliges sein musste.
Sie hatten wohl nur versucht, die Ruine wieder instand zu setzen. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Ich entschuldigte mich aus tiefstem Herzen bei der Echse und bedankte mich, dass sie alles versucht hatten, mein ehemaliges Zuhause zu bewachen. Eigentlich taten sie mir ja einen riesigen Gefallen. Mit den Echsen hier konnte ich die grosse weite Welt weiter erkunden und trotzdem sicher sein, dass mein Zuhause in guten Händen (Pfoten? Klauen?) war. Vom Kustilaniklan wollte eh keiner die Aufgabe übernehmen. Ich hatte mich damals ja auch nur widerwillig und aus Pflichtbewusstsein hierhin begeben.

Wir befreiten die Echsen also von ihren Fesseln und gingen herum, zum anderen Eingang des Heiligtums. Ganz neugierig beäugten sie die Räumlichkeiten hinter der Kustilani-Tür und ich zeigte ihnen, wo mein Gärtchen war und wo ich einen weiteren Baum und mein Schlafgemach hatte.
Den anderen Zugang zum Heiligtum hatten die Echsenmenschen verbarrikadiert. Dahinter standen zwei weitere Echsen, die uns hineinliessen, als sie sahen, dass ihr Magier unversehrt war.
Zu meiner erneuten grossen Erleichterung war auch das Heiligtum unversehrt geblieben und die Echsen hatten es sogar auf Vordermann gebracht!
Ich war so erleichtert, so fähige Nachfolger gefunden zu haben. Tiere wären der Aufgabe nie gewachsen gewesen, wie hatte ich so naiv sein können, sie diesen einfachen Geschöpfen aufzubürden?
«Ihr müsst euch nicht schuldig fühlen», meinte der Echsenmagier, als ich meine Gedanken und mein schlechtes Gewissen offenbarte.
«Den Einsturz hättet ihr nicht verhindern können. Steine leben nicht so wie Pflanzen.»
Und er lud uns ausserdem ein, die Nacht hier zu verbringen und uns mal am Schieberätsel (urgs! Meine schwache Seite) zu versuchen.

Vorher wollten wir uns noch ansehen, was die Echsenmenschen aus dem Rest der Ruine gemacht hatten, wenn schon der Altarraum so schön aussah. Und der Raum mit den Gräbern meiner Vorfahren übertraf alle meine Vorstellungen! Er sah fabelhaft aus! Auf den Gräbern lagen frische Blumen, der dortige Baum war gewachsen, ich konnte ihn nicht mal mehr mit beiden Armen umarmen. Und überall blühten Blumen!
Ich rannte zur nächstbesten Echse hin, umarmte sie überschwänglich und bedankte mich bei ihr.
«Dassss issst doch selbstverständlich, die Toten müsssssen geehrt werden, wie die Lebenden auch», gab sie zur antwort.

Von den Echsenwesen waren wohl die Sammler verschwunden, die tagsüber nach Beeren und essbaren Pflanzen suchten. Vielleicht sollten wir auch mal sammeln gehen…
Doch zuerst wollten wir uns an meinem Erzfeind, dem Schieberätsel versuchen. Mit vereinten Kräften lösten wir es sogar! Eine Tür öffnete sich. Mit sandigem Knarzen schob sie sich über den Boden.

Im Raum dahinter fanden wir Gold und drei Kisten. Vorsichtig! Mit lebendigen Kisten hatten wir ja schon so unsere Bekanntschaft gemacht.
Cinar fand in der einen Kiste einen Dolch mit knorrigem Holzgriff. Der Zweigling.
Tappser fand einen Trank, ein faustgrosses Fläschschen, in der ein kleines schwarzes Kätzchen sass. Wenn man die Flasche zerbrach, würde die Katze für einen ganzen Tag zu einem Tiger werden!
Ich fand in der letzten Kiste einen verwurzelten, grün bemoosten Stab. Der so genannte Moosstab konnte stabile Lianen und grüne Pflanzen in einem rasanten Tempo wachsen lassen.
Und der Goldberg waren tatsächlich 23’000 einzelne Kupfermünzen. Vier Edelsteine lagen da auch noch rum, die sich Tara gleich mal schnappte.
Niemand hatte was dagegen, dass ich mir den Stab unter den Nagel riss.
Tappser und ich hatten einen Moment, in dem wir uns wieder versöhnten. Wirklich konnte ich ihm ja nicht sauer sein (und er mir wohl zum Glück auch nicht). Ich versuchte, zu schnurren, verschluckte mich aber dabei. Tappser wollte mir zeigen, wie es richtig geht und ich kraulte ihm dann unter dem Hut zwischen den Ohren, was er sichtlich genoss.

Ich freute mich über die ganzen Entwicklungen hier und begrünte erst mal die ganze Ruine mit meinem neuen Stab und liess auch aus der Asche des verbrannten Baumes einen neuen erwachsen. Die Echsen waren sehr verwundert. Dann merkte ich plötzlich, wie ich total müde wurde und wollte mich in mein altes Bett legen. Doch da lag Cinar schon und schlief, also liess ich mir in einer Ecke ein Moosbett wachsen und schlief darauf tief und fest ein, noch ehe mein Kopf das Grün berührte.

Am nächsten Morgen fassten wir den Plan, zuerst bei den Bauern vorbeizugehen, um dort Bescheid zu sagen, dass von den Echsen keine Gefahr ausging. Nein, auch sie waren Opfer von Entführungen geworden.
Die Bauern waren sehr erleichtert, doch sie machten sich auch Sorgen, denn irgendwohin mussten die Vermissten ja verschwunden sein.
Auch in Loudwater erzählen wir Gelwarin über die Echsenmenschen. Er wollte die Kunde über die friedliebenden Echsen weitertragen. Doch mysteriös war das alles schon, dass von diesen auch welche verschwanden.

Tappser wollte sich daraufhin noch einen zweiten Dolch besorgen, der genau so scharf wie der gefundene Dolch aus der Ruine war. Wir warteten vor der Schmiede auf ihn. Ziemlich lange passierte nichts, aber wir waren nicht verwundert, kannten wir ja seine Hartnäckigkeit und Verhandlungsgeschick.
Doch etwas musste schief gelaufen sein, denn plötzlich rannten mehr Wachen in die Schmiede rein, Tappser dagegen fluchtartig raus und verschwand ohne ein Wort zu uns hinter der nächsten Ecke, wo die Wachen an ihm vorbeirannten. Als wir einen Blick riskierten, war Tappser aber nirgends mehr zu sehen.

Da wir keine Ahnung hatten, wohin er verschwunden sein könnte, beschlossen wir, zum Nordausgang der Stadt zu gehen. Dorthin wollten wir ja spätestens am nächsten Tag eh wieder hin, um mehr über diese Entführungen herauszufinden. Der einzige Anhaltspunkt, den wir hatten war dieser mysteriöse Schatten, der in der ersten Nacht auf dem Weg zu den Ruinen aufgetaucht war.
Ich liess eine Spur aus Grünzeug hinter uns wachsen, sobald wir aus der Stadt waren, sodass Tappser uns hoffentlich folgen konnte.
Auch die uns bekannte Bäuerin war sehr erfreut über die Neuigkeiten, dass die Echsen friedliebend sind. Sie bedankte sich und lud uns nochmal zum Übernachten ein.

Bild von Khusen Rustamov auf Pixabay

Kurz vor Morgengrauen wurden wir aus unserem Schlaf gerissen, als Tappser vor dem Haus laut «Vampire!!» schrie. Cinar lief zur Türe, riss sie weit auf und liess Tappser hinein.
«Vampire können ohne Einladung ein Haus nicht betreten», klärte uns Cinar auf. Ausserdem seien sie anfällig gegen Sonnenlicht, fliessendes Wasser und heiligen Schaden, aber allgemein würden sie sich sehr schnell regenerieren und Wunden heilen.
Als wir uns alle wieder etwas beruhigt hatten, erzählte Tappser von seinen Abenteuern mit der Stadtwache und kugelte sich dabei vor lachen. Die waren wohl sauer geworden als er aus der unendlichen Tasche einen menschlichen Schädel geholt hatte (warum er sowas tat? Ach, was weiss ich…Tappser halt, vielleicht wollte er ihn dem Schmied verkaufen? Zuzutrauen wäre es ihm). Na jedenfalls hatte das mit dem Schädel der Stadtwache nicht gefallen und sie hatten wohl darauf bestanden, ihn zu konfiszieren oder zum Friedhof zu bringen und mit gebührendem Respekt zu begraben. Nebenbei konnte Tappser erkennen, dass auch in der Stadtwache von Loudwater Ghule waren.
Als er dann irgendwann den Wachen entkommen war, war der Tabaxi meiner Spur aus der Stadt hinaus gefolgt. Er hielt sich so gut es ging verborgen. Kurz vor dem Bauernhaus hörte er wieder ein Knacken und versteckte sich schnell auf einem Baum. Er sah wieder eine schattenhafte Gestalt und aktivierte seinen Ghulfindering. Neben dem Baumstamm war eine untote Präsenz. Doch sie verharrte reglos.
Nach stundenlangem Warten entzündete er eine Fackel und warf sie auf den Boden. Doch nichts geschah. Irgendwann ging die Fackel aus. Dann, plötzlich, kletterte etwas in Windeseile am Baum hinauf und biss Tappser in den Arm! Beide purzelten aus den Baum auf den Boden, wo er mit seinem Dolch zustechen konnte. Eine sehr blasse humanoide Gestalt mit spitzen Zähnen stand vor ihm und biss nochmals zu! Die Dolchwunde schloss sich vor Tappsers Augen. Das war dann wohl zu viel des Guten gewesen und er nahm reissaus in Richtung Bauernhaus.
Cinar winkte Tappser nach der Geschichte zu sich und raunte ihm zu, dass er wohl kaum einem Vampir begegnet sei. So ein Zusammentreffen hätte er mit Sicherheit nicht überlebt. Oder vor einem richtigen Vampir davonrennen können. Das, was Tappser gesehen hatte, war wohl eher ein Vampirdiener. Diese waren wohl auch starke Untote, doch lange nicht so stark wie ein richtiger Vampir. Das hiess allerdings im Umkehrschluss auch, dass ein echter Vampir in der Nähe sein müsste. Und das würde auch die Entführungen erklären. Wir waren uns aber alle im Klaren darüber, dass wir auch als Abenteurergruppe und nach allem, was wir bisher erreicht hatten, es nicht alleine mit einem ausgewachsenen Vampir aufnehmen konnten.

Was also tun? Dem Diener eine Falle stellen? Irgendwie rauskriegen, wo das Vampirversteck ist, um dieses mit heilendem Tageslicht zu durchfluten? Eines war (mir) klar: wir konnten die Einwohner Loudwaters, die Echsenmenschen und die Bauern nicht ihrem Schicksal überlassen. Wir würden helfen.

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